Gott ist nicht schüchtern
von Olga Grjasnowa – Premiere im Web: Kostenloser Stream von 25. Februar 2021, 19.00 Uhr bis 3. März 2021, 24.00 Uhr
– Eine Produktion von Nestbeschmutzer & Innen in Kooperation mit WERK X-Petersplatz
– Österreichische Erstaufführung
– Aufführungsrechte: Verlag Felix Bloch Erben GmbH & Co. KG, Berlin
Autorin: Olga Grjasnowa
Bühnenfassung/Dramaturgie: Lisa Kärcher
Bühne: Hawy Rahman
Kostüm: Andrea Hölzl
Sounddesign: Hermann Draxler
Produktionsleitung: Sina Heiss
Hospitanz: Tanja Putzer
Damaskus / Berlin. Was mit friedlichen Protesten beginnt, entwickelt sich bald zu einem der verheerendsten Kriege der Gegenwart: dem syrischen Bürgerkrieg.
AMAL, eine junge Schauspielerin, die mit ihrem Freund an Demonstrationen in Damaskus teilgenommen hat, findet ihren Namen auf den Listen des staatlichen Geheimdienstes wieder. Von Folter bedroht, muss sie das Land verlassen.
HAMMOUDI, ein angesehener Chirurg, muss in Deir ez-Zour in den Untergrund gehen, um eine illegale Ambulanz aufzubauen. Unter gefährlichsten Bedingungen versucht er, eine Notversorgung für die Bevölkerung aufrecht zu erhalten.
Einige Jahre später treffen AMAL und HAMMOUDI durch Zufall in Berlin erneut aufeinander.
AMAL: Und was stimmt mit dir nicht?
HAMMOUDI: Ich habe zugesehen, wie neunhundertsiebzehn Menschen starben.
Olga Grjasnowa erzählt in „Gott ist nicht schüchtern“ von zufälligen Begegnungen, von inneren und äußeren Wunden, vom Abschied und vom Ankommen. Im bruchstückhaften Bühnenraum von Rahman Hawy navigiert Regisseurin Susanne Draxler die beiden Protagonist*innen durch Zonen von Schutz und Zerstörung, Identität und Intimität, Grausamkeit und Geborgenheit.
Traurige Aktualität erlangt die Inszenierung der österreichischen Erstaufführung gerade und besonders heuer: „In Zeiten der COVID-19-Pandemie zeigt sich besonders drastisch, wie verheerend die Schließung der Fluchtrouten und die Unterbringung von Geflüchteten in überfüllten Lagern an den Außengrenzen der Europäischen Union war und ist. Die ‚Festung Europa‘ zeigt wieder einmal ihr wahres Gesicht. Den Pandemie-Winter 20/21 verbringen Tausende Geflüchtete in unbeheizten, durchnässten Notunterkünften, die wiederholten Aufrufe zu einer menschenwürdigen Behandlung bleiben nach wie vor ungehört.
Damit nicht genug, hält man es in Österreich offenbar selbst in einer Situation wie dieser für unerlässlich, in Österreich geborene Kinder in einer brutalen Nacht-und-Nebelaktion in ein Herkunftsland abzuschieben, das sie selbst fast ausschließlich vom Hörensagen kennen. Der Sturm der Entrüstung, den diese Aktion auslöste, kam für die betroffene Familie leider zu spät.
So ist es uns ein besonderes Anliegen, mit unserer Produktion gegen ein immer wieder latent vorhandenes ‚Wir vs. Ihr‘-Denken anzugehen. Nicht zufällig entstammen die beiden Protagonist*innen von GOTT IST NICHT SCHÜCHTERN, Amal und Hammoudi, einer international vernetzten, gut ausgebildeten Mittelschicht. Das Leben, das sie in Syrien hinter sich lassen müssen, ist dem eine*r durchschnittlichen Theaterbesucher*in in Wien vermutlich gar nicht so unähnlich.
Auch wenn es sich leider immer wieder so anfühlt: Es gibt nicht ‚die Geflüchteten‘ auf der einen, ‚Menschen mit europäischer Staatsbürgerschaft‘ auf der anderen Seite.
Es gibt einzig und allein Menschen. Machen wir keine Unterschiede, die Leben kosten.“
- Susanne Draxler, Regisseurin
Nach der lockdownbedingten zweimaligen Verschiebung der geplanten Premierentermine (im November 2020 bzw. Februar 2021) aufgrund von SARS-CoV-2 wird die ÖSTERREICHISCHE ERSTAUFFÜHRUNG von GOTT IST NICHT SCHÜCHTERN für ein breites Publikum nun via Übertragung im Netz stattfinden.
Von Donnerstag, 25. Februar 2021, 19.00 Uhr bis Mittwoch, 03. März 2021, Mitternacht ist das Stück per Video on demand kostenlos verfügbar unter werk-x.at/premieren/gott-ist-nicht-schuechtern.
Der Roman „Gott ist nicht schüchtern“ von Olga Grjasnowa ist im Aufbau Verlag, Berlin, erschienen.
„Regisseurin Susanne Draxler […] setzt im nüchtern-praktikablen Bühnenbild von Hawy Rahman auf eine immer rasantere Handlung, die in kurzen Zweierszenen immer bedrückender und auswegloser wird. Ob der Schauplatz Syrien, die Ukraine, die Türkei oder Weißrussland ist, ist für diese Österreichische Erstaufführung egal. Unmenschlichkeit hat mit Fremdheit nichts zu tun.“
– APA
„Susanne Draxler hat eine sehr starke, konzentrierte, reduzierte Arbeit gemacht. 100 spannende Minuten, dafür braucht man sehr gute Schauspieler[*innen] – die stehen hier zur Verfügung. Johnny Mhanna und vor allem Diana Kashlan sind hervorragende und konzentrierte Schauspieler[*innen]. Eine Aufführung, die man sich ansehen sollte!“
– Sichrovskys Foyer, ORF III
„Olga Grjasnowas Roman als nüchtern-zügiges, protokollarisches Erzähltheater, inszeniert von Susanne Draxler. Syrische Flüchtlinge sind gerade nicht mehr das Thema. Wie ein Weckruf wirkt deshalb die Premiere von Olga Grjasnowas Gott ist nicht schüchtern, einer im Herbst am Berliner Ensemble uraufgeführten Bühnenfassung des gleichnamigen, 2017 erschienenen Romans über eine Generation, die einen Systemwandel fordert und dabei regelrecht zermalmt wird. […] Es passiert viel, der Roman ist das akribische Protokoll einer brutalen Revolutionsniederschlagung. Dem Erzählfaden (oft in 3. Person) schließt sich auch die Inszenierung Susanne Draxlers im Werk X Petersplatz ohne Umschweife an. Erzähltheater der konventionellen Form, das seine Zugkraft aus zwei sympathischen Schauspielern gewinnt sowie einem steten, jedem pathetischen Innehalten widerstrebenden Tempo.“
– Der Standard
„Ihr Autor bittet für einen völlig unjournalistischen emotionalen Ausbruch um Verzeihung, aber: Ich war nach vielen Monaten erstmals wieder in einem Theater, und es war ein unbeschreiblich schönes Gefühl. […]
Die Inszenierung von Susanne Draxler ist schlicht, klar und, wohl dem Thema angemessen, völlig humorlos. Intention der Arbeit ist […] zu zeigen: Es geht nicht um Staatsbürgerschaften, es gibt nur Menschen. Die Protagonisten entstammen einer privilegierten Mittelschicht (wie vermutlich die meisten Zuschauer[*innen]), das schützt sie allerdings nicht im Geringsten davor, vom Bürgerkrieg überrollt zu werden. Fazit: Ein starker, beklemmender Abend.“
– Guido Tartarotti, Kurier PRINTAusgabe vom 20.02.2021
„Die erste Szene ist stark. ‚Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?‘, fragt die Frau im blütenweißen Hosenanzug den ebenso strahlend gekleideten Mann. Sie flüstert ihm etwas ins Ohr, wie Bill Murray einst Scarlett Johansson in ‚Lost in Translation‘, wir hören nicht, was. Seine Miene verdüstert sich. ‚Ist vielleicht auch besser so‘, sagt er. Das ist geheimnisvoll, ein Vorgriff mit Spannungspotenzial. Hernach wird man sehen, wie die Beteiligten nach und nach bis hierher kamen.“
– Nachtkritik